Ich verfolge so manchen spirituellen Lehrer und natürlich wird auch das Thema (spirituelle) Beziehung nicht ausgelassen. So las ich letztens erst wieder einen Artikel von einem spirituellen Lehrer (Matt Kahn), den ich sonst sehr schätze.
Seine Aussage zum Thema Beziehung mal kurz und knapp gefasst: Nur monogame Beziehungen sind der heilige Gral, auch um in und mit der Beziehung spirituell zu wachsen. Ebenso ähnlich schreibt Richard Rudd darüber und viele andere.
Eine für mich sehr kategorische Aussage von einem Lehrer bezogen hier jetzt auf Matt Kahn, der sonst immer betont: Man solle alles lieben, was erscheint.
Was ist dann also mit polyamoren, offenen oder Swinger-Beziehungen? Die erscheinen ja auch, sollen die nicht geliebt werden?
Und er meinte, dass alles andere außer monogame Beziehungen im Grunde das Ergebnis egoistischer Menschen sei.
Und er ist nur einer von vielen. Gleichzeitig schreiben viele darüber, dass es u.a. die polyamoren Beziehungen sind, die einem wirklich den Weg des Herzens weisen, weil man gerade hier durch die Akzeptanz von mehreren Partnern u.a. das Thema Loslassen oder Besitztum des Partners hinter sich lassen muss. Auch die Osho-Bewegung gehörte dazu.
Ich persönlich werde eher stutzig, wenn man nur eine Form, als DIE Form anerkennt und alle anderen damit abwertet.
Denn es kann genauso Menschen geben, die sich in etwas Monogames flüchten, weil man sonst mit Teilen oder Eifersucht weniger zurecht käme, weil der Partner als des Glückes Schmied gesehen wird. Oder viele suchen das Polyamore, weil damit mehr Nähe durch Variation ausgetauscht wird.
Für mich haben beide Formen und alles dazwischen ihre eigenen Herausforderungen und Chancen. In beiden Formen können sich nicht weiterentwicklungs-willige Personen finden – völlig unabhängig von der Form oder der Bezeichnung, die diese Beziehung trägt.
Die monogame Ehe ist u.a. ein politisches, machterhaltendes Instrument…
Monogamie ist z.B. ein recht junges Phänomen, wenn man u.a. die Arbeiten von Dr. Heide Göttner-Abendroth oder Alexandra Schwarz-Schilling verfolgt.
Das Konstrukt der Ehe diente ihnen zufolge der Sicherung der männlichen Erbschaftslinie (die es bis dato nicht gab) und ebenso, um die Frau in ihrer Nährkaft und damit in der Nährkraft auch für Männer zu unterdrücken, in dem man anfing, die freie Sexualität der Frau zu beschneiden, als Wurzel allen Übels umzuwandeln und in unseren Breitengraden entsprechende Gesellschaftsmodelle und Rituale zu entwicklen, die diese Bewegung quasi in Zement gossen.
Wir hier im westlichen Kulturkreis wachsen “automatisch” mit der Beziehungsidee auf, dass die normale, gesellschaftlich anerkannte und durch alle Instanzen etablierte die monogame Mann-Frau-Beziehung ist.
Viele 1000 Jahre gab es Gesellschaftsformen, die weit weniger der Illusion der Trennung unterlagen, die weit mehr spirituell mit Mutter Erde verbunden waren und das waren diesen Quellen zufolge, Matriarchate, in denen es die heutige Ehe und die heutige Monogamie nicht gab.
Was ist nun das Bessere? Dass wir uns auf das ältere berufen, in dem wir eben sagen, das gab es eigentlich schon immer. Oder ist es das neuere, jüngere Modell, da wir uns ja schließlich alle weiterentwickeln und somit der Fortschritt das Bessere sei…?
Ich persönlich weiß nicht, was das Bessere ist.
Ich kann nur auch mit diesem Artikel dazu beitragen, dass es vielleicht mehr an der Zeit ist, sich dieser unterschiedlichen Modelle bewusst zu werden, ihre Ursprünge, Entwicklungen, Chancen und Kompromisse zu kennen, zu erforschen. Mit der eigenen Chance, bewusstere Entscheidungen auf dem eigenen Lebensweg zu treffen.
Monogamie wird einfach vorausgesetzt:
Nehmen wir mal den heutigen Klassiker: Mann und Frau lernen sich kennen und entscheiden sich aus der Verliebtheit heraus, in eine Beziehung zu gehen. Wie oft wird wirklich vorher darüber gesprochen, welches Modell man will? Wie oft spricht man darüber, ob man monogam sein will, und vor allen Dingen, wo für den einen oder den anderen dann demzufolge so etwas wie Untreue beginnt? Beim Flirt, beim Kuss, beim Sexualkontakt mit einer anderen Person? Schon früher, wenn ich in Gedanken etwas Schwärme? Ab wann ist für jeden die Grenze erreicht? Warum ist diese dort und nicht wo anders?
Polyamore Menschen z.B. sprechen das sehr viel früher an, da es ja Teil ihrer bewussten Lebensgestaltung ist. Monogame Menschen stolpern da meiner Meinung nach öfter in ein festgefahrenes Modell, erwarten automatisch, dass der Partner dieselben Grenzen hat und erst wenn es “knallt”, wenn der eine die Grenze des anderen überschritten hat, kommt das Thema Treue und wann für jeden die Untreue beginnt auf den Tisch. Im besten Fall, wenn dann beide noch miteinander reden können und wollen. Wo ist da jetzt mehr oder weniger Ego, mehr oder weniger Spiritualität zu finden?
Mein Weg, über den ich mit gelebter eigener Erfahrung sprechen kann: Wenn ich alles liebe, was auftaucht, liebe ich alle Modelle, lehne weder das eine noch das andere ab und erforsche tief in mir, was zu mir passt und wo ich mich weiterentwickeln möchte mit meinem Partner oder Partnern:
Nach einer 6-jährigen Beziehung und Ehe, die monogam und treu war, trennte ich mich. Ich habe mir ehrlich gesagt vorher über andere Beziehungs-Modelle wenig Gedanken gemacht. Danach gab es einige Monate für mich Erfahrungen in der Polyamorie. Es war sehr offen, sehr liebend, die Menschen kannten sich untereinander – die volle Bandbreite von sich gönnendem Liebesfließen und mit den Auseinandersetzungen, wo wer mit wem gerade steht. Für mich eine unglaublich wertvolle Zeit und in dieser Phase durfte ich noch viel mehr wundervolle Menschen kennen lernen, die eben nicht die klassische Mann-Frau-Monogam-Beziehung gelebt haben oder leben, z.B.: Ehemals mehr lesbisch orientiert, mit einer Frau verheiratet, mittlerweile junge Mutter und jetzt wieder mit einem Mann zusammen.
Oder: Polyamore Paare mit fester Stammbeziehung seit Jahren, mit erweiterten Beziehungen teils mit Kindern, die daraus entstanden, gemeinsamen Urlauben der polyamoren Großfamilie.
Oder: Ein verheiratetes Paar, das sich tiefe Liebe und einen Weg versprochen hat, sich aber sexuelle Außenbegegungnen zugesteht.
Oder: Swinger-Paare wieder mit unterschiedlichsten Ausrichtungen, wie dies wiederum gelebt wird.
Oder: Tantrische Paare monogam, tantrische Paare polyamor, tantrische Paare offen, und und und.
Noch nie zuvor lernte ich so viele Modelle kennen, durch Menschen in meinem direkten Umkreis und es war echt, weil es nicht nur Artikel waren, die ich mal gelesen hätte. Und alle begegneten sich miteinander und untereinander.
Jetzt lebe ich erneut in einer monogamen Beziehung und das bewusst, weil ich mir durch die Monate zuvor durch meine eigenen Erfahrungen und Gespräche viel Freiheit und persönliches Entdecken erlaubte. So wie ich mir jetzt aus dieser Freiheit erlaube, monogam sein zu wollen, nicht zu müssen und schon gar nicht als Kompromiss meinem Partner gegenüber. Was überhaupt nicht heißt, dass ich in der Folge polyamore Beziehungen dadurch geringer schätzte, nur weil ich es jetzt nicht lebe. Nein ich liebe sie, weil ich sie kenne. Nur zum 1. Mal traf ich eine bewusste Entscheidung mit meinem neuen Partner. Wir sprachen vorher darüber und auch darüber wo der Freiraum und wo die Grenzen in dieser Monogamie für uns aktuell liegen.
Macht uns das “sicher” für die Zukunft?:
Ein weiterer Irrtum meiner Meinung nach ist, dass wir immer wieder verdrängen, dass wir uns, dass sich der Partner, dass sich die Beziehung immer ändert. Ein Teil von uns, will fest auf etwas bauen, will Sicherheit.
Bedürfnisse, Interessen, Tempi ändern sich, wir ändern uns – das ist normal und das wird in Beziehungen immer wieder dazu führen, dass neu justiert werden muss.
Auch was das Verständnis von Treue, Monogamie oder Polyamorie anbelangt.
Da hilft es wenig im Gespräch zu sagen: “Ja, aber als ich Dich kennengelernt habe, sahst Du das doch genauso wie ich!”
Veränderungen, wo beide gleich schwingen, bedürfen oft auch nicht des Gesprächs. Vielen Paaren “passiert” der Wandel einfach, und solange es nicht knirscht, ist ja alles gut. Das allein ist schon schade. Denn ich wünsche allen Paaren, dass sie sich auch aber die gelungenen Veränderungen austauschen, auch hier genau hinhören, wie es dem anderen damit geht. Positiver Austausch stärkt die Beziehung ungemein.
Oft kommt nur die knirschende Veränderung, der Wunsch von einem, etwas verändern zu wollen, irgendwann mal auf den Tisch. Was dann passieren kann und was meiner Meinung nach wünschenswert und erstrebenswert wäre, schreibe ich im nächsten Artikel.
Bis dahin wünsche ich mir für Dich, dass Du wertvolle Impulse bekommen hast, wie Du für Dich und mit Deinem Partner mutig darüber sprechen lernst, was für jeden Monogamie, Polyamorie, Treue und Untreue zumindest jetzt bedeuten und ausmachen.
Über Natascha Pfeiffer
Natascha Pfeiffer, Expansion Method Practitioner und Groupleader, Co-Founder der Agentur PRand communication in Augsburg. Einzel- und Gruppenarbeit in Augsburg und via Skype.