Hä? Was soll denn das nun bedeuten? Fragst Du Dich vielleicht…
Vorne ab – mir geht es nicht um den Aufruf zu lügen, sondern um den Umgang damit und was passiert, wenn wir mit der Liebe im Herzen anders darauf re-agieren.
Denn es ist schon so eine Sache mit dem Lügen – wir alle wissen, dass das nicht die beste Handlung ist. Wir tun es trotzdem alle selbst hin und wieder und verurteilen aber furchtbar andere, die es tun, völlig vergessend, dass wir eben selbst auch mal in der Rolle des Lügenden waren.
Ein ganz konkretes Beispiel mit meinem Partner hat unmittelbar zu so viel mehr Liebe und Nähe geführt, dass dies der Auslöser für diesen Beitrag geworden ist.
Neulich gestand er mir, dass er mich bei einer bestimmten Sache angelogen hat. Ich sah in seinen Augen, dass es ihn natürlich etwas Mut gekostet hat, dass ebenso die Befürchtung bestand, ob es jetzt ne Szene geben könnte…also ob ich ihn für den Inhalt der Wahrheit quasi anmache/niedermache und noch oben drauf ihm eben den Vorwurf mache, dass er gelogen hat.
Schon mit den 1. einleitenden Worten war meinem Herz klar, dass es nichts zu verurteilen gibt. Es öffnete sich nur mein Herz und bedankte sich, dass er jetzt den Mut und das Vertrauen gefunden hat, es mir jetzt zu sagen. Ich war tief berührt und nahm ihn in den Arm.
Denn wer gesteht, dass er gelogen hat, macht sich quasi “doppelt angreifbar” – man lässt den anderen näher an sich ran und das Damoklesschwert Lüge und die Verurteilung allein dafür steht auch noch im Raum…all die Vorwürfe, die dann kommen könnten – z.B.
Über alles reden können – auch eine Grundsäule unserer Partnerschaft – doch was soll das heißen?
Ja, über eben alles reden können!
Aber wer sagt denn, dass über alles reden können auch bedeuten muss, dass man es immer sofort tun kann und muss?
Manchmal muss man erst sein eigenes Tempo zu einem Thema finden. Und um sich den Raum dafür zu schaffen oder weil man selber noch in Scham damit ist, man selber noch im Prozess des sich Eingestehens ist, greift man als Schutz zur Lüge…oder aus Angst.
Wenn man das begreift, dass diese Art der Lüge nicht gegen den anderen gerichtet ist, sondern dass der andere einfach noch tierisch mit etwas gehadert hat, Ängste hatte, projiziert hat, dass er mit der Wahrheit verletzen könnte oder oder oder…wie käme ich dazu, ihm das zum Vorwurf zu machen?
Über alles reden können – heißt nicht immer sofort und immer jetzt über alles reden können!
Über alles reden können, bedeutet auch darüber zu sprechen, dass man gelogen hat, denn in dem Moment redet man ja über alles…
Wenn die Lüge darin keinen Platz hat und das Sprechen darüber, ist über alles reden können eine Pharse!
Sehr schnell geht dann der Belogene ins Urteil, haut verbal auf den anderen, äußert seine Verletzung über den angeblichen Vertrauensmissbrauch und und und.
In meinem konkreten Fall durfte das Herz sofort Führung übernehmen. Es ging nicht um mich! Da war ein ängstliches, mutiges Herz, das mir seine Wahrheit offenbart hat – nur das galt es zu sehen, zu würdigen, anzunehmen. Es ging nur darum, diesen Raum zu halten und sich für all das zu lieben, was gerade ist.
Ich konnte einfach offen bleiben und je mehr ich das blieb, um so offener konnte er bleiben. Ich wollte wissen, wie es ihm ging, wie es ihm jetzt geht, ihn aus seinen Augen verstehen. Die Liebe wollte einfach nur sehen – es ging nicht um mich. Dies schaffte für uns beide unglaublich viel Nähe und genährten Mut, vielleicht das nächste mal nicht zur Schutz-Lüge greifen “zu müssen”.
Doch auch hier ist es wichtig, keinen Anspruch darauf zu erheben: Ab jetzt keine Lüge mehr. Nein, nehmt den Druck raus! Das ist zumindest meine Meinung dazu.
Und ich wünsche Dir für Deine Beziehungen auch in scheinbar schambehafteten Geständnissen, dass ihr Euch gegenseitig neue Räume des Sich-gegenseitigen-Sehens zu schenken.
Für mich war die Lüge quasi ein großes Geschenk. Denn nur diese konnte mir in diesem Moment auch für mich zeigen, wie groß mein Herz sein kann, wie groß sein Herz sein kann – vielleicht kannst Du es auch einmal für Dich so erfahren und die positive Kehrseite der Lüge ehren und damit integrieren.
Über Natascha Pfeiffer
Natascha Pfeiffer, Expansion Method Practitioner und Groupleader, Co-Founder der Agentur PRand communication in Augsburg. Einzel- und Gruppenarbeit in Augsburg und via Skype.