Durch meine eigene Familiengeschichte und meine langjährige Coaching-Erfahrung erkenne ich immer wieder scheinbar „kranke Beziehungssysteme“, die jedoch eine unglaubliche Stabilität vorweisen.
Als eindeutig „krank“ könnte die Außenwelt dies erkennen, wenn der eine Partner gewalttätig ist und der andere trotz der Gewalt da bleibt. Es werden Co-Abhängigkeiten in diesen Beziehungen ausgelebt. Diese Verbindungen sind sehr stabil, ob wohl man meinen und sich fragen könnte: Warum ist dieses Paar denn überhaupt noch zusammen? Warum müsste beim 1.Gewaltanzeichen der andere nicht sofort gehen?

Es gibt auch subtilere „ungesunde“ Beziehungen.
Das sind z.B. Paare, in denen keine offensichtlich physische Gewalt vorliegt, jedoch im Grunde genommen, keiner der beiden glücklich in der Beziehung ist und beide über den jeweils anderen verbal gesehen kaum ein gutes Haar lassen können. Darum ging es auch in meinem letzten Blogbeitrag: „Wertschätzende Kommunikation“.

Vielleicht erkennst Du darin Deine eigene Beziehung oder die, Deiner Eltern:
Da wird geschimpft über den anderen, aber etwas daran ändern, geschweige denn den anderen zu verlassen, das würde keiner der beiden auch nach 30 Jahren Ehe nicht tun.

Man hat sich halt so eingerichtet. Diese Beziehungen sind sehr stabil, sie sind wie eine Festung. Und so die Partner sich sich in vielen Aspekten nicht (mehr) mögen und beide es sich oftmals was anders wünschen, wehe die Beziehung wird von außen her angegriffen oder von einem 3. in Frage gestellt. Sofort bildet sich dieses Beziehungsfestung, die nicht ein zu nehmen ist.

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Diese Beziehungskonstrukte stecken sozusagen fest. Der eine bedingt den anderen. Beide „brauchen“ unterbewusst die Rolle des anderen.

Solange beide nicht in ihre eigene Entwicklung gehen, verharrt man in dem Konstrukt. Dies muss auch nicht immer als direkt leidvoll empfunden werden. Jedoch würden die Partner einzeln über ihre Beziehung sprechen, kämen häufig setze wie:

  • „Im Grunde genommen funktioniert es ja.“
  • „Man halt halt auch Verpflichtungen, das Haus, die Kinder.“
  • „Wo sollte ich denn sonst hin?“
  • „Der Sex, naja, natürlich hat der nachgelassen, aber das ist ja auch nicht so wichtig.“
  • „Im Grunde genommen sind wir ein eingespieltes Team.“
  • Diese Äußerungen können von negativ, über neutral bis hin zu positiv skaliert werden. Die positiven Aussagen über solch ein Beziehungskonstrukt, sind meiner Meinung allerdings nicht wirklich frei. Sie sind zwingend notwendig, so lange beide oder einer von beiden wegschaut. Solange wird das sich „eingerichtet haben“ als positives Argument vor allem sich selbst gegenüber her genommen, um sich selbst gegenüber überhaupt noch rechtfertigen zu können, warum man in dieser Beziehung bleibt. Außerdem scheint es das Normale zu sein. Es gibt wenige Beziehungsvorbilder, die einem andere Orientierungsmodelle bieten können.

    Als Menschen streben wir nach Freiheit und Verwirklichung, dem entgegen steht die Sehnsucht nach Sicherheit uns Zugehörigkeit. Jede Veränderung braucht Mut, braucht Neugierde. Es gibt eine träge Energie in uns, die Neuland nicht so toll findet: ein instabiles 1. Chakra lehnt zu viel Neues ab.

    Lebendig wird es, wenn das 1. Chakra im Lot ist und weiß, dass die Sicherheit der eigene innere Hafen ist: Wenn es Sicherheit als Urvertrauen spürt, und das Leben als in sich am sichersten empfinden kann, gerade weil es sich stetig verändert.

    Wann bricht man aus diesen Beziehungskonstrukten aus?

    Meist beginnt einer der beiden sich die Frage zu stellen, ob das alles gewesen sei. Der Blick auf die eigene Persönlichkeitsentwicklung wird aktiviert. Die Frage nach dem Sinn des Lebens, die Frage, ob die Beziehung so wie sie besteht, dem eigenen Ziel und Sinn im Leben so dienlich und förderlich ist oder nicht.

    Wann bricht man wirklich aus?

    Da ich viel mit „The Work“ arbeite und Byron Katie liebevoll radikal die Welt betrachtet, wäre ihre Antwort: Du brichst zu dem Zeitpunkt aus, zu dem Du ausbricht. Nicht früher und nicht später.

    Dieses Ausbrechen muss nicht zwangsläufig das Ende der Beziehung sein. Es kann sein, dass beide erkennen – jeder in seinem Tempo -, dass da jeder noch seine Hausaufgaben zu machen hat, dass es Neues zu entdecken gibt, dass es das wert ist, den Partner immer wieder neu kennen lernen zu wollen und dass es gut ist, der Beziehung einen höheren Sinn zuzuschreiben, als im Alltag gut miteinander funktionieren zu können.

    Frag Dich mal selber:
    Welches höhere Ziel existiert in Deiner Partnerschaft? Ein Ziel, das größer ist als Du und Dein Partner. Ein Ziel, das größer ist als ein Egowunsch. Welche übergeordnete Qualität möchtest Du Deiner Beziehung zuschreiben und dafür gemeinsam Sorge tragen, dass diese Qualität täglich bewusst mit Leben gefüllt wird?

    Dieses Fragen und die Antwortsuche lassen dieses oftmals ungesunde Beziehungskonstrukt zusammen fallen. Es beginnt eine neue Reise, die durchaus auch erschütterndes zu Tage bringen kann.
    Sie zeigt alte Glaubenssätze.
    Sie zeigt alte Enttäuschungen aus der Kindheit gegenüber den wichtigsten Lehrmeistern Deiner Beziehung, was Deine Eltern sind.
    Was haben sie dir über Beziehungen, Konfliktfähigkeit, Nähe und Autonomie mitgegeben?
    Aber auch, was kommt an Hass, Wut, Enttäuschung gegenüber dem Partner hoch. Und sei Dir sicher, da wird es etwas geben.
    Was projizierst Du auf Deine Partnerin, fast unbemerkt, das garnicht ihr gilt, sondern einem versteckten Glaubenssatz gegenüber dem weiblichen Geschlecht generell?
    Und denkst Du wirklich in Bezug auf Männer, und projizierst es auf unbewusst auf Deinen Partner?

    Dieses Zusammenfallen ist gut und kann dennoch oft als schmerzlich empfunden werden. Denn es konfrontiert jeden auch mit Scham, mit Dingen, die man so nicht denken und fühlen wollte. Vielleicht kommt auch Schmerz darüber, dass man sich diese Frage nicht schon früher gestellt habe…Fühlen, zulassen – das ist der einzige Weg. Sich gegenseitig offenbaren, sich selbst gegenüber offenbaren – das ist ein Schlüssel.

    Wenn beide an diesem Weg beteiligt sind und wissen wollen, wieder neu lieben lernen wollen, dann kann die Reise gemeinsam weiter gehen.

    Es kann auch sein, dass die Reise nicht gemeinsam weitergeht. Derjenige, der diese Beziehungsfestung in Frage stellt, ist dann der „Täter“, der alles kaputt macht für den anderen. Derjenige, der auf einmal alles weg schmeißen will. Wenn Du derjenige bist, der sich gerade in diesem Stadium befindet, etwas in Frage zu stellen, mach Dich einfach auch darauf gefasst, dass Deine Fragen, dass Dein Wunsch nach tieferem Sinn, dann erstmal auf nicht besonders viel Gegenliebe stößt, wenn der andere in diesem starren Konstrukt bleiben will. Es kann sein, dass dann mit der Zeit Bewegung ins Spiel kommt und er andere aus sich heraus merkt, dass er sich jetzt auch öffnen muss, sonst ist es quasi vorbei.

    Man kann den Partner nicht dazu zwingen. Es wäre auch nicht fair. Denn der eine der zuerst beginnt, hat ja allein schon einen zeitlichen Vorsprung. Frage Dich, ob Du selbst ein Jahr vorher dazu bereit gewesen wärst. Und vielleicht steckt Dein Partner noch in diesem „Jahr zuvor“.
    Umso wichtiger ist es dann, weiterhin auf sch zu schauen, was nicht heißt, dass man blind egoistisch wird. Es geht darum, klar in der Kommunikation zu werden, klar mitzuteilen, was jetzt in Ordnung ist, was nicht, wo man selbst auf eine noch nicht zu beantwortende Frage stößt. Diese Spannung ist sprichwörtlich mal richtig spannend: Es auszuhalten, dass nach einer Frage, erstmal nichts kommt. Erstmal die Erkenntnis, dass man dazu noch keine Antwort hat! Das ist einfach nur Wow! Glaube mir. Auch diese Reise und diese Spannung des „Wir wissen es einfach nicht, machen uns aber lauschend auf die Antwortreise.“
    Ein Partner, der partout nicht aus dem alten Spiel aussteigen wird, kann bewusst und unbewusst ganz schön kreativ werden, den anderen wieder (auf die alte) Spur zu bringen.
    Die Challenge: Sich nicht beirren lassen, auf diese Needy-Spiele, wie ich sie nenne, einzulassen. Das ist sicher nicht immer leicht.
    Und sieh es auch auch als Chance, das Aufbäumen Deines Partners macht nur für Dein Bewusstsein im Außen sichtbar, was sich auch bei Dir gerade alles so dreht und wandelt. Auch hier bestehen noch Beziehungsgeflechte wo das eine Verhallten das des anderen bedingt.

    Nach der Stabilität – der täuschenden – kommt Chaos. Danach entsteht eine neue höhere Ordnung. Es lohnt sich, diesen Weg zu gehen, alleine, mit seinem Partner, und gegebenenfalls mit externer Hilfe während dieser Phase!

    Alles Liebe,
    Natascha

    Über Natascha Pfeiffer

    Natascha Pfeiffer, Expansion Method Practitioner und Groupleader, Co-Founder der Agentur PRand communication in Augsburg. Einzel- und Gruppenarbeit in Augsburg und via Skype.